Stürmische Zeiten auf der Sonnenseite

Letzte Woche sind wir in die Toskana gefahren. Mit wenigen Ausnahmen ist diese Herbstferien-Reise nach Italien schon fast ein bisschen ein Ritual geworden; immer mit dem Ziel, den Sommer noch etwas zu verlängern und das ganze erst noch ohne grosse Menschenmengen. Wir mögen das.
So machten wir uns also auch diesmal wieder auf den Weg gen’ Süden. Ich könnte euch von lauen Sommerabenden, schönen Meerspaziergängen, wildem Wellenreiten und den besten frischen Mandeln vom Markt erzählen. Oder erwähnenswert wäre auch noch das ausgiebige Fussballtennisspielen mit den Kindern, die vielen kreativen Sandburgbauten, der super feine «Formaggio tipico Toscano», die neuen Bekanntschaften oder das spontane Treffen mit alten Bekannten … Halt einfach: Ferien, wie sie im Bilderbuch stehen. Ich kann die Sommerverlängerung in der Toskana jedenfalls von Herzen empfehlen.
Inzwischen sind wir sonnengetankt und heil wieder zu Hause angekommen, aber während dieser Prachtswoche gab es auch schwierige Momente und das ging so:
Wir fuhren um 04:00 Uhr morgens los, weil wir dem Gotthard-Stau entkommen und zu einer vernünftigen Zeit am Zielort ankommen wollten. Bis zum Gotthard lief alles gut; von einem Stau war weit und breit nichts zu sehen. Doch wer braucht schon einen Stau, wenn er eine Autopanne haben kann? Unser Fahrzeug «stotterte» plötzlich und machte wirklich unschöne Geräusche. Ein oranges Lämpchen zeigte uns an, dass irgendwas mit dem Filter nicht in Ordnung ist. Wir kämpften uns durch den Tunnel und schickten Stossgebete gen’ Himmel, dass wir nicht mitten im Tunnel anhalten müssen. Unserem älteren Sohn war die ganze Aufregung zu viel und nullkomaplötzlich wurde ihm schlecht. Richtig schlecht … Ich rief dem kleineren zu, er solle bitte den Plastiksack aus dem Rucksack rausholen, welcher auf der Ablage direkt hinter seinem Kopf lag. Er war aber so vertieft in sein Hörspiel, welchem er über seine Kopfhörer lauschte, dass er nichts von meinen Anweisungen mitbekam. Ich kletterte also nach hinten – was dank der grosszügigen Platzverhältnisse in einem VW-Bus ja problemlos möglich ist – und übergab K1 den Sack. Danach atmeten wir gemeinsam, was offenbar half. Alles blieb dort, wo es hingehörte … Und auch unser Auto kämpfte sich erfolgreich durch den Tunnel bis zur Raststätte Gottardo Sud, wo wir schliesslich parkierten. Nach einer ersten Inspektion war schnell klar, dass wir so unmöglich weiterfahren können. Also riefen wir 05:49 Uhr die Pannenhilfe an und gingen danach ins Restaurant, um einen Kaffee zu trinken. Als ich unserem Kleinen signalisierte, dass wir jetzt aussteigen, zog er seine Kopfhörer aus und fragte: «Si mer scho da?». Hach ja, die unbeschwerte Kindheit ist schon was Schönes …
Um 07:14 Uhr erhielt ich einen Anruf von einer Garage aus dem Tessin, welcher mitteilte, dass er in 5-10 Minuten da sein wird, also machten wir uns auf den Weg zu unserem Auto. Ich kürze jetzt ein bisschen ab: Unser Auto war nicht mehr fahrtüchtig und musste nach Hause transportiert werden; der Pannenhelfer vermutete einen Motorenschaden. Wir liessen unser Auto samt unseren Fahrrädern und einem Teil des Gepäcks stehen und der Mechaniker fuhr uns in seine Garage. Unterwegs dorthin leuchtete auf einmal die Motorenlampe seines Fahrzeuges auf und ihm wurde signalisiert, dass er nur noch max. 30 km/h fahren dürfe. Er zog theatralisch eine Augenbraue hoch und meinte mit einer guten Prise Humor, wir würden wohl ein schlechtes Omen mitbringen, er glaube nämlich, dass er jetzt auch einen Motorschaden habe. Ich wusste nicht genau, ob ich darüber lachen kann, aber ich versuchte zumindest nett zu lächeln ...
In der Garage begannen dann die Abklärungen mit unserer Versicherung, welche uns mitteilte, dass wir in einen Zug steigen und nach Hause reisen können. Diese Kosten seien gedeckt. Wir schauten uns alle mit grossen Augen an und uns war sofort klar, dass wir nicht nach Hause reisen wollten. Jetzt sind wir schon so weit gekommen und zudem haben wir uns auf die Ferien gefreut. Der Garagist bot uns noch einen Mietwagen an. Es sei der letzte, den er noch habe und diesen könnte er uns für eine Woche überlassen, so dass wir wenigstens in die Ferien reisen könnten. Es war ein Elektrofahrzeug und wir haben mit solchen Autos noch überhaupt keine Erfahrung, aber wir waren froh um eine Alternative und sagten zu. Um zirka 09.30 Uhr ging unsere Reise im Tessin also weiter. Jedenfalls für die nächsten 300 km, danach mussten wir wieder pausieren, damit wir dem Auto Strom hinzufügen konnten. Am längsten haben wir auf eine «Tankfüllung» 1 ½ Stunden gewartet. So zog sich unsere Fahrt also hin und etwa eine Stunde vor unserem Reiseziel kam ein Unwetter auf. Es regnete zuerst ein bisschen, dann immer mehr und endete schliesslich in einem fürchterlichen Sturm. Mitten auf der Autobahn hielten die Autos an, weil sich auf der Fahrspur Riesenpfützen sammelten, die einem zum Stoppen zwangen. Es war eine herausfordernde letzte Stunde und wir waren nicht unglücklich, als wir gegen 18:00 Uhr endlich in unserem Resort ankamen ...
Nun war die Situation aber folgende: Ein solches Unwetter ist man sich in der Toskana offenbar nicht gewöhnt. Jedenfalls in unserem Resort war eine ziemliche Aufregung. Das viele Wasser konnte nirgends vernünftig ablaufen und bahnte sich seinen Weg unkontrolliert durch den ganzen Park. Alle Unterkünfte, die sich auf Hügeln befanden, waren fein raus, aber alle Häuschen, die am Fusse der Hügel lagen, wurden geflutet. Einen Teil des Restaurants, in welchem wir das Nachtessen einnehmen wollten, erinnerte an ein Hallenbad. Die Angestellten schaufelten das Wasser zwischen den Tischen nach draussen und durch die Fenster über die Wände lief immer wieder frisches Wasser hinein. Es war eine Katastrophe. Zwei Mal an diesem Abend mussten wir frische, trockene Kleider anziehen und auf dem Weg vom Restaurant zurück zu unserem Häuschen, standen wir zum Teil bis zu den Knöcheln in den Pfützen. Es ging auch nicht lange, bis überall der Strom ausfiel und da wir keine Taschenlampen dabeihatten, sassen wir im Dunkeln oder halfen uns mit den Handylampen aus. Irgendwie war es fast ein bisschen romantisch, aber es gibt Tage, da hat auch Romantik keinen Platz mehr …!
Wir vier sassen am Ende dieses verrückten Tages im Pyjama und im Dunkeln auf unserem Bett und auf einmal hatten wir alle ein Lachflash. Was bitte schön war das für ein verrückter Tag? Wir waren uns einig, dass es ab jetzt nur noch besser werden kann… Und so kam es dann auch. Die «Sorgen» um unser Auto versuchten wir zu verdrängen und genossen das Meer, die Sonne und die italienische Küche. Das Resort erholte sich nur langsam von diesem Unwetter. Gewisse Teile des Parks waren bis zwei Tage vor unserer Abreise noch mit Schlamm überzogen, aber da der Park riesig war, fiel das – zumindest für uns – nicht ins Gewicht. Es gab genug Alternativen.
Wie bereits erwähnt, sind wir inzwischen wieder zu Hause, allerdings alle mehr oder weniger krank. Vermutlich haben wir uns, mehrfach durchnässt am ersten Tag, doch alle erkältet. In der vergangenen Woche rutschte mir einmal noch ein Wasserglas aus der Hand, welches natürlich in tausend Stücke zerschlug und die vom Hotel geschenkte Flasche Rosé zerschmetterte zu Hause, als ich den Rucksack etwas unsanft auf den Boden warf. Einfach, dass wir uns richtig verstehen: Mir war nicht klar, dass sich diese Flasche in diesem Rucksack befand. Und so ergoss sich der italienische Rosé über unseren Küchenboden ...
Unser VW-Bus ist inzwischen in der Garage angekommen und wie wir erfuhren, hat er definitiv einen Motorenschaden … Damit hatten wir so gar nicht gerechnet und sind natürlich nicht wirklich begeistert über diese Mehrkosten, die da auf uns zukommen. Als mein Mann und ich dann gestern am Tisch sassen, um uns zu beratschlagen, wie wir nun weiter vorgehen wollen, kamen uns beiden fast die Tränen, beim Gedanken unseren VW-Bus nun aufzugeben. Wir haben damit schon so viel Schönes erlebt. Darum war uns beiden sofort klar, dass wir diese Kosten auf uns nehmen müssen, um unser Auto wieder zum Leben zu erwecken. Als unsere Jungs dann noch hinzukamen und wir ihnen mitteilten, dass wir diese Reparatur machen werden, jubelten sie auch sofort und waren froh, dass wir vermutlich noch viele Abenteuer mit unserem «Büssli» erleben dürfen.
Während wir noch einmal unsere Ferienwoche revuepassieren liessen, stellten meine Jungs fast unisono fest, dass sie diese Ferien wohl ihr Leben lang nie vergessen würden. Schon so viele Ort haben wir gemeinsam bereist und viel Schönes erlebt, aber lustigerweise sind es offenbar meist genau die Momente, die eben nicht nach Schema F verlaufen, die einem besonders in Erinnerung bleiben. Weichen wir also öfter von der Routine ab und versuchen vor allem Herausforderungen gelassen zu nehmen. Die schönsten Erinnerungen sind doch die, die einem ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, wenn wir daran zurückdenken. Und so schwierig diese letzte Woche auch war, ich muss heute tatsächlich immer wieder darüber lächeln. Aber wisst ihr, was ich das Allerschönste finde? Dieser Vorfall hat mir einmal mehr gezeigt, dass wenn es hart auf hart kommt, ich mich auf meine Lieblingsmenschen verlassen kann. Gemeinsam haben wir nämlich auch diesmal das Beste aus einer schwierigen Situation gemacht. Und das war nur möglich, weil nicht nur alle am selben Strick, sondern auch in dieselbe Richtung gezogen haben.
Und darum jetzt nochmals von vorn, einfach ein bisschen anders:
Letzte Woche sind wir in die Toskana gefahren. Unsere Herbstferien-Reise nach Italien ist ein Ritual geworden; immer mit dem Ziel, gemeinsam neue Geschichten zu schreiben, aus Herausforderungen zu lernen, Abenteuer zu erleben und als Familie noch mehr zusammenzuwachsen. Wir mögen das.