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Stürmische Zeiten auf der Sonnenseite

Wenn mein Mann und ich einen kinderfreien Sonntag haben, sieht dieser sehr oft so aus: Entweder wir laufen von zu Hause los und reisen am Schluss mit dem Zug nach Hause oder aber wir reisen mit dem Zug irgendwohin und laufen anschliessend wieder zurück. Keine Ahnung, wann und warum diese Routine bei uns Einzug gehalten hat, aber ich sag euch: Ich kanns von Herzen empfehlen. Und es funktioniert übrigens auch mit Kindern, nur muss man da die Route je nachdem etwas besser vorausplanen.

Heute ist Sonntag und heute war einer dieser kinderfreien Tage. Und irgendwie war er besonders magisch. Nicht, dass wir einer berühmten Person begegnet wären oder ein Leben gerettet hätten, aber irgendwie war der Tag heute besonders großartig. Und das zeichnete sich imfall nicht von Beginn weg ab…

Angefangen hatte unsere Reise mit einem Sprint auf den Zug, welcher bereits einfuhr, als wir beim Bahnhof eintrafen. Noch während ich auf das Öffnen der Zugtür wartete, fragte ich meinen Mann, ob er die Tickets gelöst habe. Irgendwie ist das auch so eine Routine bei uns, dass er das immer macht. Er schüttelte stumm den Kopf und erst da merkte ich, dass er bereits auf dem Handy rumtippte, um genau das zu tun. Wir stiegen ein und der Zug fuhr auch prompt los. Es vergingen keine 10 Sekunden da hörte ich von links neben mir (von meinem Mann) «Shit, es geit nid!» und praktisch gleichzeitig von rechts neben mir (von der Kondukteurin) ein: «Grüessech, dörfti bitte öii Biliee gseh?». Während mein Mann versuchte der Dame zu erklären, was uns gerade passiert war, biss ich die Zähne zusammen und wäre am liebsten im Boden versunken. Kennt ihr das? Man fühlt sich sofort schuldig, obwohl man überhaupt nichts Böswilliges getan hat. Item. Die Kondukteurin und mein Mann kamen zum Schluss, dass wir wohl einfach zu spät versucht hätten ein Ticket zu lösen, denn das geht eben nicht, wenn der Zug schon fährt. Irgendwie auch logisch, sonst könnte ja jeder im Zug warten bis der Kontrolleur daherkommt und sich dann erst das Ticket lösen. Ich hatte den Eindruck sie war ein bisschen genervt und ihr Blick verriet mir, dass sie noch nicht so ganz sicher war, ob sie uns trauen konnte. Nichtsdestotrotz bat sie meinen Mann, er solle sich ein Ticket für den nächsten Zug lösen, dann sei die Sache gegessen. Mein Mann tippte also wieder auf dem Handy rum und beim Zahlprozess kam eine Meldung, dass Twint im Moment ausser Betrieb sei und er die Tickets darum nicht lösen könne. Die Frau bestätigte, dass zwei Stationen zuvor schon jemand Probleme gehabt hätte und dass wir am Zielort somit an einen Automaten gehen sollten, um dort ein Ticket zu lösen. Sie wünschte uns noch eine gute Reise und lief weiter. Und bereits beim nächsten Abteil – ihr könnt es glauben oder nicht - wiederholte sich 1:1 dieselbe Story nochmals, weil auch ein anderer Passagier sein Ticket wegen Twint-Problemen nicht hatte lösen können. Ich versuchte derweil auf meinem Handy die Tickets zu lösen und da ich nebst Twint noch eine andere Zahlungsmöglichkeit hinterlegt hatte, funktionierte es bei mir tatsächlich, was ich der begeisterten Kondukteurin ein paar Minuten später auch zeigen konnte. Sie war überglücklich, wir erleichtert. Auf geht’s in einen entspannten Sonntag…

Am Zielort angekommen liefen wir auf direktem Weg zum nächstgelegenen Fluss mit dem Ziel diesem die nächsten 11 km zu folgen. Es war ein wunderbarer Spaziergang mit schönen Aussichten und wunderbaren Naturgeräuschen. Wir waren etwa 15 Minuten unterwegs als uns in einem Waldstück eine Frau entgegenkam. Zwei Hunde an der Leine und vor sich stiess sie einen Anhänger her. Zwischen ihr und uns stand ein Velofahrer am Wegesrand und schaute in ihre Richtung. Wir hörten von weitem, dass er ihr etwas zurief. Was genau verstanden wir nicht. Sie rief – offensichtlich eine Antwort – zurück, aber auch die konnten wir aufgrund der Distanz nicht hören. Sie war inzwischen auf seiner Höhe angekommen und anhand ihres Gestikulierens und ihrem unzufriedenen Gesichtsausdruck merkten wir schnell, dass die beiden keinen netten Smalltalk betrieben. Und wie näher wir kamen, je besser konnten wir hören um was es dabei ging. Offenbar ärgerte sich der Velofahrer über die Hunde (vermutlich waren sie zuvor nicht an der Leine gewesen) und sie ärgerte sich über die Frechheit, dass er sich wagte das zu bemängeln. Die Worte flogen hin und her und die Stimmen wurden immer lauter und die Aussagen primitiver. Und zum Schluss schrie die Frau laut in den Wald: «Läck, bisch du es blöds Arschloch!». Seine Antwort kam prompt: «Du ou!», worauf sie zurückäffte: «I wünsche dir no e schöne Sundi!» und er quittierte: «Dir ou!». Und so zogen beide von dannen. Wir liefen schnellen Schrittes an den beiden vorbei und versuchten den Blickkotakt zu meiden. Und als wir vorbei waren, mussten wir dann doch ein bisschen grinsen über diese komische Situation.

Zurück auf unserem Fussmarsch versuchten wir uns wieder auf den schönen Flusslauf zu konzentrieren. Das gelang uns auch sofort. Die Sonne schien uns ins Gesicht, der Wind blies uns in die Haare und wir gingen im Gleichschritt weiter unserem Ziel entgegen. Von da an lief dann tatsächlich auch alles wie am Schnürchen und was am Ende des Tages blieb, war ein gut durchlüfteter Kopf, eine zufriedene, körperliche Müdigkeit und viele Eindrücke von schönen Naturbildern. Und zwischendurch müssen wir auch immer wieder grinsen über diesen oder jeden Vorfall, der uns auch an einem erholsamen Sonntag nicht erspart geblieben ist.

So legen wir jetzt also noch ein bisschen die Füsse hoch, geniessen den Rest dieses wunderbaren Tages und wünschen euch einen schönen Sonntag, ihr Arschlöcher.