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Hopfen & Malz verloren

Hopfen & Malz verloren und dabei die Ruhe gefunden

Am Wochenende hatte mein Mann Geburtstag und überraschenderweise habe ich ihn zu einer kleinen Auszeit entführt. Zwei Nächte in einem kleinen Wellnesshotel im Berner Oberland. Gebucht hatte ich ein schönes Zweisamkeits-Arrangement, welches einerseits ein fantastisches 6-Gang-Dinner beinhaltete, aber auch ein SPA-Programm mit Fußbad, Massage und Dampfbad/Sauna am Nachmittag. Genau das richtige für uns beide nach einer außergewöhnlich strengen Zeit. Die Überraschung war mir jedenfalls gelungen und wir waren wie auf Knopfdruck sofort entschleunigt, als wir unser Hotelzimmer betraten.

Nach der ersten Übernachtung und nach einem schönen Ausflug in die Berge, betraten wir am Samstagnachmittag den SPA-Bereich und wurden in ein schön dekoriertes Zimmer geführt. Zwei leere Stühle luden ein uns hinzusetzen und davor standen zwei Wasser-Becken mit vier handgroßen, runden Steinen drin. Die zuständige Wellness-Dame, Maria, leerte noch etwas Bademittel und Duftöl hinzu und bestreute schließlich das fein duftende Wasser mit getrockneten Blättern. „Alles aus unserem Garten“ erklärte sie stolz. Wir sollen es uns gemütlich machen und die Steine seien dafür da, sich selbst die Fußsohlen zu massieren. Maria erklärte weiter, dass sie jetzt noch zwei Cüpli für uns holen würde, wünschte uns viel Vergnügen und verließ wortlos den Raum. Ich ließ meine Füße über die glatten Steine gleiten und konnte regelrecht spüren wie die ganze Last der letzten paar Wochen von meinen Schultern fiel. Es tat so gut die vielen spürbaren Punkte an den Füssen mit den Steinen zu aktivieren oder sogar die eine oder andere Blockade zu lösen. Und ständig stieg mir der Duft dieses feinen Rosenöls in die Nase. Mit geschlossenen Augen genoss ich den Moment, als ich neben mir ein leises Murren vernahm. Ein Blick zu meinem Mann verriet mir, dass er ganz ungläubig in sein Becken runterschaute und kopfschüttelnd feststellte, dass er eigentlich auch barfuß in einem Fluss spazieren könnte, das hätte denselben Effekt und sei erst noch günstiger. Meine Begründung, dass es gerade jetzt etwas kalt wäre, barfuß in einen Fluss zu steigen, überzeugte ihn aber und er ließ seine Füße mehr schlecht als recht über die Steine gleiten.

Ein leises Klopfen kündigte an, dass Maria zurück war. Sie streckte uns zwei Cüpli entgegen und war dann auch schon wieder weg. Wir stießen an, mein Mann bedankte sich zum gefühlt tausendsten Mal für diese großartige Überraschung und wir nahmen unseren ersten Schluck. Er verzog etwas angewidert das Gesicht und brummte: „Jetz hätti auso grad meh Luscht ufenes Bier“. Ich verdrehte die Augen und versprach ihm, dass er nach der Behandlung noch sein Bier trinken werde. Ich schloss wieder die Augen, sog immer wieder den feinen Rosenduft ein und genoss das feine Prickeln vom Cüpli auf der Zunge und das warme Wasser um meine Füße. Im selben Moment hörte ich ein Geräusch neben mir, das sich ein bisschen so anhörte, als hätte jemand einen ziemlich grossen „Gutsch“ Wasser in ein Becken geleert. Und es war nicht irgendein Becken, es war SEIN Becken. Ich öffnete schnell die Augen und neben mir saß mein grinsender Mann mit einem leeren Cüpli-Glas in der Hand. Meines war gerade noch ¾ voll und in der Regel bin ich die, deren Glas zuerst leer ist. Ich schaute ihn entsetzt an, doch er grinste mich an und meinte: „Hesch scho mau dini Füess im Champagner badet!?“. Ich wusste in diesem Moment nicht ob ich jetzt lachen oder weinen sollte und bekam nur noch ein zerdrücktes „Nei, jetz aber nid im ärnscht...!?“ heraus, als es schon wieder an der Türe klopfte.

Die äußerst zuvorkommende Maria war wieder da, kniete sich vor uns hin und bat mich einen Fuß auf den Rand des Beckens zu stellen. Gesagt getan. Mit grob gemahlenem Salz wurde dann ein Peeling in die Füße einmassiert. Ich brauchte gar nicht erst zu meinem Mann rüber zuschauen, denn ich wusste, dass er in diesem Moment die Augen weit aufgerissen hatte. Ich muss euch hierzu erklären: Mein Mann ist mega kitzelig. Also mega-mega. Es ist kaum möglich ihn an den Füssen auch nur ein bisschen zu berühren; er kann das einfach nicht aushalten… Ich muss zugeben, ein kleines bisschen schadenfreudig war ich schon, denn die Sache mit dem Cüpli musste ja schließlich irgendwie „bestraft“ sein...

Nach meinem zweiten Fuß und dem wunderbaren Peeling war dann also er dran. Es lief verhältnismäßig gut, aber er musste sich wirklich sehr zusammenreißen. Ich hatte einen kleinen Moment ehrlich Angst, dass der Fuß meines Mannes plötzlich im Gesicht der armen Wellness-Dame landen wird. Aber das passierte zum Glück nicht.

Wir wurden dann gebeten mitzukommen und standen sehr bald in einem heißen Dampfbad zusammen mit einer Schüssel voll mit einer Art Schlamm. Diesen mussten wir uns am ganzen Körper einstreichen und ihn dann 20 Minuten auf uns tragen, während die warmen Dämpfe uns umhüllten. „Auch im Gesicht“ empfiehl Maria, denn es seien alles natürlich Zutaten drin. So saßen wir uns also gegenüber, eingeschmiert von oben bis unten mit „Schlamm“ und langsam, aber sicher lief meinem Mann die ganze Sauce übers Gesicht direkt in seine Augen und seinen Mund. Er sprang auf „Ich bin blind – ich bin blind“ und angelte nach der Duschbrause, um das schlimmste zu verhindern. Ich habe diesem Schauspiel zugeschaut und Leute, ich habe mich wirklich fast weggeschmissen…

Eine gute halbe Stunde später wurden wir, frisch geduscht, in ein neues Zimmer geführt. Ein wunderschöner Raum, dezentes Licht, beruhigende Musik und wieder dieser wunderbare Duft. Unfassbar schön. Nebeneinander zwei Massageliegen. Die Dame erklärte uns, wir sollen uns jetzt ausziehen, es uns bäuchlings auf den Liegen bequem machen und uns anschließend mit dem großen Badetuch zudecken. Das Gesicht oben am Tisch in das Loch hinein; ihr kennt es bestimmt…

Zwei Minuten später lag ich wie gewünscht auf der Liege. Unter mir, also direkt unter dem „Kopfloch“ stand eine grosse Schale mit Tannzapfen, Tannästen etc. Es roch fantastisch und hatte auf mich eine sehr beruhigende Wirkung.

Mein Mann stand noch immer neben seiner Liege und fragte sich immer wieder, wie er sich jetzt hinlegen und anschließend auch noch das Badetuch über sich legen soll. Ich wagte einen kurzen Blick hinüber und ich sage euch: Ein Bild für Götter. Irgendwann hörte ich bloß, wie er meinte, dann binde er sich das Tuch halt um. Und so legte er sich dann scheinbar auf die Liege. Es war ein paar Sekunden lang still, dann sagte mein Mann plötzlich: „Gsesch du ou Tannzäpfe?“. Ja, ich gebe zu, man muss es gehört haben, um das jetzt lustig zu finden. Ich habe mich jedenfalls kaputtgelacht.
Einigermassen konnte ich mich gerade noch beruhigen, als es bereits wieder klopfte und zwei Wellness-Damen daherkamen, um uns zu massieren. Ich hörte noch halbwegs, wie Maria meinem Mann erklärte, dass er das Tuch nicht so umwickeln könne und bitte seinen Po heben soll, damit sie ihn wieder auswickeln könne. Leute, ich schwöre: Mich hats fast „verbäset“ auf meinem „Schragen“!
Aber dann kam meine Massagefrau daher – Katharina hieß sie – und führte mich 25 Minuten fernab von allem. Es war einfach wunderbar entspannend. Von meinem Mann hörte ich auch nichts mehr und wie er später bestätigte war auch er im Himmel. Immerhin.

Nach dieser Massage verabschiedeten sich unsere Wellness-Damen von uns und empfahlen uns noch in den Ruheraum zu gehen. Gesagt getan. Eigentlich kennt man es ja, aber auch bei diesem Raum stand in großen Buchstaben auf der Türe, man solle bitte still sein und sich hier nicht unterhalten. Und ja, wie soll ich sagen: Eigentlich war das ja auch unser Plan…

Der Raum war hell, schön dekoriert, es roch wieder großartig, ein Cheminée in der Mitte und draußen war die Landschaft weiß gepudert – einfach traumhaft. Wir schnappten uns zwei Liegen direkt am Fenster. Ich kuschelte mich sofort hinein und schloss die Augen. Neben mir rumpelte es. Ich nahm mir fest vor, mich jetzt nicht ablenken zu lassen und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Ich wollte einfach entspannen und die Ruhe genießen. Wer Kinder hat weiß: Diese Momente sind so kostbar und man muss jede einzelne ruhige Minute aufsaugen. Ich hörte wieder etwas; diesmal ein schleifendes Geräusch gefolgt von einem Rumpeln. „Nein Frida, du öffnest nicht deine Augen!“, ermahnte ich mich noch. Und kurz darauf wieder dieses komische Schleif-Geräusch. Etwas genervt öffnete ich die Augen und sah neben mir meinen Mann in seiner Liege. Ich muss euch schnell erklären: Das waren so ergonomisch geformte Super-Liegen, wo man entweder sitzen oder eben liegen kann. Wichtig ist halt, dass man sich entscheidet welches von beidem man will, BEVOR man sich in die Liege legt oder eben setzt. Bei meinem Mann war scheinbar „Sitzen“ eingestellt. Er versuchte nun krampfhaft von dieser Sitzposition in die Liegeposition zu kommen. Ich sage euch, das sah so witzig aus, wie er mit dem Rücken gegen die Liege drückte, die sich dann zwar senkte, aber sobald er losließ, sofort wieder in die Sitzposition hochspickte. Leute, ich konnte nicht mehr. Und nun soll man in diesem Raum ja nicht sprechen. Und noch wenn ich gewollt hätte, ich hätte sowieso überhaupt kein Wort mehr rausbekommen, denn ich kämpfte krampfhaft dagegen an nicht loszubrüllen. Und es gelang mir einen Moment lang. Aber leider nicht lange genug. Und dann prustete es plötzlich unkontrolliert aus mir heraus. Dieser Moment war das absolute Sahnehäubchen unserer gesamten Wellnessbehandlung. Ich bin aufgesprungen, inzwischen liefen mir die Tränen über das ganze Gesicht vor lachen und habe den Raum fluchtartig verlassen. Gleichzeitig habe ich noch versucht mich mit komischen Nickbewegungen - aber natürlich wortlos - bei allen Leuten im Raum zu entschuldigen. Aber ich bin nicht sicher, ob sie mich verstanden haben. Vielmehr glaube ich ja, die dachten ich hätte mir einen Nerv eingeklemmt….

Mein Mann folgte mir scheinbar, denn draußen in der Kälte standen wir uns plötzlich im Bademantel gegenüber. Es war arschkalt und wir hielten uns die Bäuche vor Lachen. Hinter uns ein großes Fenster und dahinter alle Leute, die im Ruheraum lagen und uns ungläubig zuschauten. Ich will mir nicht ausmalen, was die alle dachten….

Auch wenn man es vielleicht jetzt nicht vermuten könnte, aber ich war noch selten so erholt wie nach diesen drei wunderbaren Tagen mit meinem Mann. Ich liebe ihn, weil er genau so ist wie er eben ist und weil er mich immer wieder zum Staunen, zum Nachdenken, zum Träumen aber eben auch zum Lachen bringt.

Und dafür erhält er jetzt endlich sein Bier.