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Der Pausenmann

Ihr Blick hing an der Uhr neben der Wandtafel. Schleppend kroch der Zeiger weiter. Und endlich schrillte die Pausenglocke und alle Kinder sprangen auf und rannten zur Tür. Die ganze Kinderschar drängte sich laut schreiend und mit rudernden Armen hinaus ins Freie, um dann dort einen kurzen, schnellen Sprint hinzulegen. Das Ziel war eindeutig: das gegenüberliegende Restaurant. Unten an der Kellertür blieben alle stehen und polterten mit ihren Fäusten an die Türe. Gleichzeitig schrien sie laut und unisono: «Znüni! Znüni! Znüni!».

Sie stand zuhinterst. Sogar etwas abseits der restlichen Gruppe. Es dauerte nicht lange, da hörte man einen Schlüssel im Schloss drehen und danach die alte Türe knarren. Im Türrahmen erschien wie jede Woche ein lustiger Mann mit Bart und einem Bauch so gross wie die grosse Trommel vom Musikverein im Dorf. Er strahlte die Kinder an. Dann stellte er eine grosse Kiste hin und jedes Kind durfte reinlangen und sich ein «Znüni» rausholen. «Merci» riefen ihm alle zu und rannten wieder davon. Und am Schluss standen nur noch sie und er da. Der Mann schaute zu ihr hinunter und fragte mit tiefer Stimme «Und du, wottsch keis Znüni?». Sie lächelte etwas verlegen, nahm sich ihr Pausenbrot aus der Kiste und flüsterte «Danke». Er stupste sie kurz an die Nase, zwinkerte ihr zu und verschwand wieder mit der leeren Kiste hinter der Kellertür…

Inzwischen sind fast 35 Jahre vergangen, seit sich diese Geschichte genauso zugetragen hat. Der «Pausenmann» ist gestorben und mit ihm auch die wöchentlich «geschenkten Samstagmorgen Znünis» für alle Schüler. Dieses Erlebnis hat sich aber bei den meisten Kindern in die Herzen gebrannt. Auch bei ihr. Und zwar gleich neben den vielen anderen Momentaufnahmen an diesen lustigen, bärtigen Mann; ihren Vater…

Nicht vergessen: Immer am ersten Sonntag im Juni feiert die Schweiz «Vatertag». Feiert sie, all die Väter und Bonusväter. Sie sind Helden ohne Umhang, Geschichtenerzähler, Beschützer, Abenteurer, Kämpfer und Monsterjäger. Sie können grossartig Spinnen entsorgen, am lautesten rülpsen und die besten Witze erzählen. Und sie sind die tollsten Grillmeister, zuverlässigsten Familientaxifahrer, grössten Vorbilder und stärksten Männer. Und für meinen Papa (den Pausenmann) möchte ich noch «kreativ und grosszügig» hinzufügen. Die Liste ist aber sowieso längst nicht abschliessend.

DANKE für alles und noch viel mehr, ihr Väter.